Historischer Verein für die Grafschaft Ravensberg e.V.

Tagung

Tagung: „Burgen und Festungen in Ostwestfalen vom Mittelalter bis in die Moderne“ in Bielefeld

Am Samstag, den 29. März 2008, fand auf der Bielefelder Sparrenburg eine von der AG Sparrenburg des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg organisierte wissenschaftliche Tagung zum Thema: „Burgen und Festungen in Ostwestfalen vom Mittelalter bis in die Moderne statt.“ Ziel der Tagung war es, den Funktionswandel von Burgen und Festungen in der Region ebenso zu beleuchten wie ihre Baugeschichte.

In der ersten Sektion analysierte der Bielefelder Historiker PD Dr. Ulrich Meier Veränderungen und Funktionswandel in der Landesherrschaft der Region im Spätmittelalter. Seine zentrale These war, dass die Grafschaft Ravensberg nach dem Aussterben des Grafengeschlechts davon profitierte, dass der neue Landesherr räumlich entfernt in Jülich residierte und nur ein geringes Interesse an der Entwicklung seines neu erworbenen Territoriums zeigte. Dadurch ergaben sich in Ravensberg selbst und vor allem in Bielefeld Handlungsspielräume, die von der ansässigen Bevölkerung und ihren Korporationen geschickt genutzt wurden. Ravensberg blieb daher im wesentlichen von dynastischen Fehden und anderen kriegerischen Auseinandersetzungen verschont und konnte wirtschaftlich prosperieren. Die benachbarte Herrschaft in Lippe verstrickte sich dagegen in zahlreiche Fehden und fiel daher ökonomisch zurück. In einem zweiten Referat gab Dr. Stefan Leenen vom Bodendenkmalamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe einen Überblick über die frühe Baugeschichte von Burgen und Festungen in Ostwestfalen. Er berichtete von den neuen archäologischen Funden und den Ausgrabungen auf der Ravensburg und der Sparrenburg. Zudem beleuchtete er die bisherigen archäologischen Ergebnisse, welche durch Grabungen auf der Falkenburg und der Burg Ringelstein in der Nähe Paderborns gewonnen wurden. Dadurch erhielten die Zuhörer der Tagung einen detaillierten Überblick über die Baugeschichte und die baulichen Veränderungen auf diesen Burganlagen.

Die Referate der zweiten Sektion behandelten den Funktionswandel weg von mittelalterlichen Burgen hin zu „modernen“ Festungsanlagen während der Frühen Neuzeit. Dr. Jochen Rath, Leiter des Stadtarchivs Bielefeld, ging auf den Konnex von Veränderungen in der Wehrtechnik und Festungsbauweise sowie den Funktionswandel der Burgen infolge einer Neudefinition von Landesherrschaft ein. Mit Blick auf die Sparrenburg und die inzwischen an Brandenburg-Preußen gefallene Grafschaft Ravensberg kam er zu dem Ergebnis, dass dort erhebliche Veränderungen und Investitionen in den Verteidigungsanlagen vorgenommen wurden, dass die Region selber jedoch aufgrund einer geschickten Diplomatie nicht zum Schauplatz von großen kriegerischen Auseinandersetzungen wurde. Die gleiche Meinung vertraten Andreas Kamm in seinem Abriss zur Baugeschichte der Sparrenburg während der Frühen Neuzeit und Udo Majewski in seiner Auseinandersetzung mit der Biographie eines langjährigen Kommandanten der Festung Sparrenberg, Rabe Hermann von Cloedt.

Die dritte Sektion behandelte schließlich den Funktionswandel von Burgen und Festungen in der Moderne. In seinem Referat wies Dr. Harald Wixforth darauf hin, dass die Burgen des Mittelalters und Festungsanlagen aus der Frühen Neuzeit für die an Identifikationspunkten eher arme Region Ostwestfalen inzwischen eine große Bedeutung als identitätsstiftende Wahrzeichen erlangt haben. Dies ist jedoch ein vergleichsweise neues Phänomen, waren die Burgen der Region während des größten Teils des 18. und des 19. Jahrhunderts dem Verfall preis gegeben. Erst im Zuge der borussisch-nationalen Suche nach Identität am Ende des 19. Jahrhunderts und einer gleichzeitigen Burgenromantik in Teilen des Wirtschafts- und Bildungsbürgertums wurde der Bielefelder Sparrenburg auch die Funktion eines national-borussischen Wahrzeichens für die Region zugeschrieben. Zu einem in besonderer Weise identitätsstiftenden Wahrzeichen wurde sie jedoch erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts, als ihre bauliche Substanz erheblich bedroht war. Ein möglicher großflächiger Verfall alarmierte die Bevölkerung, weckte die Spendenbereitschaft und führte dazu, dass viele Einwohner der Region die Sparrenburg als „ihre Burg“ entdeckten. Ein ähnliches Phänomen ist auch für andere Burgen zu konstatieren. Die Hintergründe für diese Entwicklung sind noch exakt zu entschlüsseln – so Wixforth in seinen Ausführungen. Im zweiten Referat der Sektion stellte Michael Veldkamp verschiedene Varianten einer medien- und museumspädagogischen Nutzung der Sparrenburg vor. Dabei plädierte er dafür, durch den Einsatz moderner Medien die Sparrenburg für die Besucher besser „erfahrbar“ zu machen und damit ihre Attraktivität als touristischer Magnet in Bielefeld zu steigern.

In der lebhaften Abschlussdiskussion diskutierten die Teilnehmer der Tagung teilweise kontrovers über den historisch-wissenschaftlichen korrekten Umgang mit Baudenkmälern auf der einen und ihrer Instrumentalisierung durch Tourismusmanagement und Marketingkonzepte auf der anderen Seite. Die Teilnehmer waren sich im wesentlichen jedoch darin einig, dass die Geschichte einer Region und die ihrer historischen Baudenkmäler einen Wert an sich darstellen, der keinesfalls unüberlegt und vorschnell auf dem Altar unreflektierter Marketing- und Tourismuskonzepte zu opfern ist.

Die gute Resonanz auf die Tagung und die intensiven Diskussionen haben die AG Sparrenburg ermuntert, eine Nachfolgetagung zu veranstalten, auf der einige Aspekte der Burgengeschichte vertieft werden sollen. Zudem ist geplant, den Blick über die Grenzen Minden-Ravensbergs hinaus zu richten und auch Referenten von auswärts zu Themen der Burgen- und Festungsgeschichte zu hören. Diese Tagung soll voraussichtlich im Herbst 2008 stattfinden.

Harald Wixforth


Programm als PDF: Seite 1, Seite 2

Burgen und Festungen in Ostwestfalen vom Mittelalter bis in die Moderne

Tagung am 29. März 2008 in Bielefeld, Am Sparrenberg 38 a, Großer Saal, Sparrenburg Restaurant

Anmeldung bis zum 10. März 2008 in der Geschäftsstelle, Telefon 0521 51-2469.

Tagungs-Programm

10.00 - 10.15 Uhr
Begrüßung durch den Vorstand des Historischen Vereins; Grußworte der Stadt Bielefeld

Sektion 1: Burgen in Ostwestfalen im Mittelalter

10.15 - 10.45 Uhr
PD Dr. Ulrich Meier:
Ravensberg im Spätmittelalter - zur Ausbildung der Landesherrschaft im regionalen Vergleich
10.45 - 11.15 Uhr
Dr. Stefan Leenen:
Zur Früh- und frühen Baugeschichte von Burgen in Ostwestfalen
11.15 - 12.00 Uhr
Diskussion
12.00 - 13.00 Uhr
Mittagspause / Imbiss

Sektion 2: Burgen und Festungen in der Frühen Neuzeit

13.00 - 13.30 Uhr
Dr. Jochen Rath:
Verluste und Gewinne: Funktion und Funktionswandel von Burgen in der Frühen Neuzeit
13.30 - 14.00 Uhr
Andreas Kamm:
Eine Burg wird zur Festung - zur Baugeschichte des Sparrenbergs vom 16. zum 18. Jahrhundert
14.00 - 14.30 Uhr
Udo Majeweski:
Berühmt und vergessen - Kommandant der Festung Sparrenberg Rabe Hermann von Cloedt
14.30 - 15.30 Uhr
Diskussion
15.30 - 16.00 Uhr
Kaffeepause

Sektion 3: Burgen und Festungen in der Moderne

16.00 - 16.30 Uhr
Dr. Harald Wixforth:
Ostwestfälische Burgen als identitätsstiftende Symbole in der Neuzeit?
16.30 - 17.00 Uhr
Michael Veldkamp:
Erlebnis - Burg? Aspekte medienpädagogischer Arbeit auf der Sparrenburg
17.00 - 17.30 Uhr
Diskussion
17.30 - 17.45 Uhr
Schlussworte des Vorsitzenden des Historischen Vereins